Amtsvormundschaft ohne herausgehobene Bedeutung

29. April 2020

LAG Düsseldorf, Urteil vom 29.04.2020, 4 Sa 70/19:
Zur Eingruppierung nach Sozial- und Erziehungstarif

Das Bundesarbeitsgericht hatte die Tätigkeit eines Amtspflegers für nicht eheliche Kinder gemäß § 1709 BGB aF schwerpunktmäßig als überwiegend der Verwaltung zuzurechnen angesehen (BAG 04.09.1996 - 4 AZR 174/95, juris; bestätigt durch BAG 01.08.2001 - 4 AZR 298/00, juris). Die Amtspflegschaft für nichteheliche Kinder wurde nach dieser im Jahre 1998 außer Kraft getretenen Vorschrift selbst bei Volljährigkeit der sorgeberechtigten Mutter kraft Gesetzes begründet und überwiegend "nach Aktenlage" geführt.

Demgegenüber hat das Bundesarbeitsgericht für die Tätigkeit einer Sozialarbeiterin in der gerichtlich angeordneten Amtsbetreuung Erwachsener ohne weiteres die Tarifmerkmale für den Sozial- und Erziehungsdienst angezogen (BAG 06.08.1997 - 4 AZR 789/95, juris; ähnlich LAG Saarland 21.08.1996 - 2 Sa 44/96, BeckRS 1996, 30763154 [Amtspfleger]; LAG Niedersachsen, 20.02.1998 - 3 Sa 1950/93 E, juris [bestellter Amtsvormund/Amtspfleger]; LAG Sachsen 08.11.2013 - 3 Sa 113/13, juris [bestellter Amtsvormund/Amtspfleger]).

Das LAG Düsseldorf in der hier wiedergegebenen Entscheidung hat - zumindest nunmehr - die Tätigkeitsmerkmale des Sozial- und Erziehungstarifs mit üerzeugender Begründung als einschlägig herangezogen.

In Übereinstimmung mit den Prozessparteien wurde die "schwierige Tätigkeit" der Aufgabe nach pauschaler Prüfung festgestellt. Dabei ist es nicht im Einzelnen auf die Problematik eingegangen, Tätigkeiten mit unterschiedlichen Personengruppen zu differenzieren. Es reichte in der (pauschalen) Prüfung aus, dass "ähnlich wie bei den in der Protokollnotiz genannten Personengruppen [...] auch bei der Tätigkeit der Klägerin als gerichtlich bestellte Amtsvormundin/Amtspflegerin nach teilweisem oder vollständigem Entzug des Sorgerechts der Eltern bei dem auf der einen Seite besonders schutzbedürftigen Mündel unbestritten auf der anderen Seite typischerweise mit vielgestaltigen, möglicherweise irreversiblen seelischen und sozialen Problemen zu rechnen" sei.

Die Frage der besonderen Schwierigkeit der Tätigkeit wurde in Zweifel gezogen, jedoch nicht abschließend beantwortet, da es der Aufgabe jedenfalls an der herausgehobenen Bedeutung fehle:

"Die Bedeutung einer Amtsvormundschaft, also der Übernahme der elterlichen Sorge für das Mündel, sowie einer Amtspflegschaft mag für das einzelne Mündel erheblich sein, zumal es sich um eine höchstpersönliche und grundsätzlich nicht übertragbare Funktion handelt. Dabei sind die wesentlichen Grundentscheidungen im Bereich der elterlichen Sorge bzw. im Pflegschaftsbereich zu treffen. Sie mögen gewissermaßen "Weichenstellungen" für den weiteren Lebensweg des Mündels enthalten, doch werden ihre Auswirkung und Bedeutung relativiert durch die hohe Anzahl von Vormundschaften/Pflegschaften, die eine Vollzeitkraft gleichzeitig führen kann. Diese soll gemäß § 55 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII 50 nicht übersteigen. Die für das einzelne Mündel monatlich aufgewandte Zeit zur Förderung von Pflege und Erziehung kann dabei nur etwa eine halbe Stunde betragen (vgl. anschaulich Sündenhauf, Das Jugendamt 2011, 293, 296 f). Die tägliche Erziehung und Betreuung sowie Beschulung, die für das Mündel nicht minder von Bedeutung sind, obliegt dem Amtsvormund/Amtspfleger nicht, sondern etwa der Pflegefamilie oder sonstigen Pflegeeinrichtung oder der Schule. Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich schon deshalb nicht entnehmen, dass sich aus Art und Größe ihres Aufgabengebietes eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung hinsichtlich der Auswirkungen ihrer Tätigkeit im jeweiligen Einzelfall im Vergleich zu einer Tätigkeit nach der Entgeltgruppe S12 ergibt. Sie ist nicht anders zu beurteilen als eine Tätigkeit, die in der Protokollerklärung Nr. 12 beispielhaft genannt ist. Auch ein Sozialarbeiter/Sozialpädagoge mit schwierigen Tätigkeiten nach der Entgeltgruppe S12 hat eine Vielzahl von Fällen parallel zu bearbeiten. In beiden Fällen könnte sich bei einer Fehlleistung gravierende Folgen für die Betroffenen sowie Haftungsfragen ergeben. Die Bedeutung für die konkrete Lebensführung des Mündels alleine genügt für das Heraushebungsmerkmal somit nicht (ebenso LAG Niedersachsen 20.02.1998 - 3 Sa 1950/93 E, juris, Rn. 65; LAG Baden-Württemberg, 03.11.2014 - 1 Sa 9/14, juris, Rn. 72 f. für die Eingruppierung einer Sozialarbeiterin)."
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